Eine Hütte sein

Um die Poesie eines Gegenstandes geht es. Der ist allgemein bekannt, nicht ganz alltäglich, aber leicht zu beschreiben.

Dieser Gegenstand ist  d i e  H ü t t e:  das kleine, einfache Haus, ein Gebäude, vier Wände, Türe, Dach, vielleicht selbst gezimmert oder gebaut. 

Es geht zunächst einmal um diese Hütte im Gürbetal bei Mühlethurnen. Eine von vielen, eine Torfhütte, weil sie ursprünglich der Lagerung und Trocknung von Torf diente.

Uri-Mai2010

Sie steht allein, aber es hat viele und alle stehen allein. Eine alleinstehende Hütte hier, alleinstehende Hütten dort.

Es gibt auch alleinstehende Männer, alleinstehende Frauen, alleinstehende Kinder. Alleinflüchtende.

Allein stehen, das musst du können – oder lernen. Wenn du es willst und auch, wenn du’s nicht willst. Dann erst recht. 

Senkrecht und gerade, allein lebensfähig. 

Denn es ist schöner, sich anzulehnen, wenn man auch allein stabil und gut stehen kann. 

Wer in einer Beziehung ist, muss das können. Selbststeher sein, stehen bleiben, allein sein. Das ist zweimal wichtig: Für das Gelingen der Beziehung, ihren inneren Wert und wenn die Beziehung endet. Dann erst recht. 

Zur Hütte zurück. Sie ist verbunden mit der Erde, verwurzelt sozusagen. Ein Fundament ist nützlich. Der Wind darf rütteln an ihr, sie wird ihm widerstehen. Ihr Dach ist gut und fest. 

Wir können von den Hütten lernen. Einfach da stehen; bleiben. Offen oder verschlossen. Ruhig und gelassen warten bis der Winter, der Sturm vorbei ist. Notfalls die Augen schliessen, Hände vors Gesicht und, wenn die Sonne wieder wärmt: die Augen öffnen, Tor und Tür, das Licht hereinlassen. Auftun.

Die Hütten oder wie die Bauern sagen, d’ Schürli prägen die Ebene, sind in ihrer Gesamtheit poetisch, schön und machen uns Freude. Jede birgt ein Geheimnis. Manchmal macht sich ein Bauer dran zu schaffen oder eine Hundespazierfrau geht langsam vorbei, vielleicht sitzt gerade ein Falke auf dem Dach oder ein Milan gleitet vorbei.

Der Mensch gleicht der Hütte; manch einer ist ein bisschen schief, hat Moos auf dem Dach und Beziehungsgrümpel drin. Was einmal nützlich war, gebraucht wurde oder gut tat, liegt nun unbeachtet da; verstellt die Perspektiven. Spinnweben, Staub, Geheimnis.

Und wenn die Hütte nicht mehr gebraucht wird, übt sie sich im Stehenbleiben. Sie dient noch den Vögeln als Warte, ist Versteck oder Nistraum.

Einer Eiche dient sie als Starthilfe oder einem Holunderstrauch, der sich im Hüttenwindschatten wohl fühlt. Später gibt die Eiche der Hütte Schirm und Schutz.

Wir wollen nicht mehr sein als das, wir wollen weiter kommen auf dem Weg zum Menschsein. Immer weiter. Das Gute entwickeln, uns üben im Vergessen und Verzeihen. Und im Stehen gegen die Schwerkraft.