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Ich bin schon …

.. ein bisschen aus der Form geraten, ein wenig schrumpelig, ich habe Patina angesetzt. Meine Haare sind desorientiert, wachsen lieber aus den Ohren und aus der Nase heraus, als auf dem Kopf. Meine Haut hat tausend Furchen und Falten und es ist klar, es werden noch mehr.

Kürzlich stand ich vor dem Spiegel: Bin ich schön? – Bin – ich – schön??
Ich forschte in meinem Gesicht, zerfurchte mir die Stirn. …
Bin ich – überhaupt –  was mir da entgegenschaut.
Oh du meine gute Seele! Wohnst Du denn in diesem alten Körper. Ist Dir wohl da drin? Bist Du das, bin ich das noch, das Morsche, Alte was niemand sein will.

Ja doch, keine Frage. Ich bin halt alt, einfach alt.

Ich habe doch gelebt und ich habe auch geliebt. Ich lernte zu sehen, zu lächeln, zu verstehen, zuzuhören. Ich lernte Nachsicht. Ich bin Mensch geworden. Allmählich und immer mehr. Kein Supermann, kein Genie, kein Grossmaul, einfach ein normal mittelprächtiger, manchmal etwas unsicherer Mann.

Ja – und ich lebe, unverfroren noch immer – und ich liebe: Meine Töchter, meine Frau, alle Frauen, meine Hühner, meine Freunde natürlich und die Vögel, die Gräser, das Schilf, den Holunder. Ja, ich liebe auch die Natur.
Und ich weiss, heute bin ich schöner als früher, zu Zeiten, als ich noch frisch war und jung und schon damals ganz schön schön. Natürlich!

Ich bin schön.